Wie kann man sich wehren?
Viele Bürger, die dem Lärm von Veranstaltungen und Clubs in Berlin ausgesetzt sind, fühlen sich hilflos. Als politischer Wille wird deutlich gemacht, dass Clubs, Open-Air-Veranstaltungen und die Party-Szene gewünscht sind, weil sie angeblich zur Attraktivität von Berlin beitragen würden. Diese Ansicht dürften auch, völlig wertneutral, viele Menschen teilen. Der Dauerstress, der für die Belasteten entsteht, mit Auswirkungen bis hin zu Gesundheitsschäden, wird dabei oft nicht berücksichtigt. Die gefühlte Hilflosigkeit erhöht den Stress zusätzlich.
Das subjektive Erleben ist, in der eigenen Wohnung einem gewaltsamen Angriff ausgesetzt zu sein, ohne sich wehren oder fliehen zu können.
Es gibt aber Wege, sich zu wehren. Wie effektiv dies jeweils ist, hängt von vielen Faktoren ab. Die Aussicht auf Erfolg wird immer durch das Zusammenwirken mehrerer Betroffener größer.
Welche Wege gibt es?
Gegen alle Arten von Lärm-Störungen durch Clubs oder Veranstaltungen kann man sich bei den zuständigen Behörden beschweren, an die Öffentlichkeit gehen (Zeitungen, Radio, Fernsehen), Unterschriften sammeln, oder besser noch, einzelne Erfahrungsberichte sammeln und einreichen, gegebenenfalls auch demonstrieren. Hier aber gleich eine Warnung: Auch Clubs und Veranstalter wissen die Öffentlichkeit gut zu suchen, wobei manchmal vor Verunglimpfungen und Polemik nicht zurückgeschreckt wird.
Neben solchen Vorgehensweisen gibt es weitere standardisierte Wege.
Zu unterscheiden ist dabei zwischen ungenehmigten, illegalen Störungen, genehmigten Störungen und eigentlich genehmigten Störungen, bei denen die Auflagen nicht eingehalten werden.
Illegale Veranstaltungen
Illegale Veranstaltungen sind nicht genehmigte Veranstaltungen mit Lärmentwicklung.
Hier ist der Weg zur Polizei und zu den Ordnungsämtern anzuraten. Zunächst, insbesondere während der Veranstaltung, kann man sich telefonisch beschweren. Bei wiederholten Störungen kann man die Beschwerden den Ordnungsämtern auch schriftlich vortragen. Sicherheitshalber sollte man Briefe per Einschreiben mit Rückschein senden oder gegen Empfangsbekenntnis selbst abgeben.
Man steigert die Wirkung, wenn man Anzeige erstattet. Falls man telefonisch Anzeige erstattet, sollte dies unbedingt danach schriftlich bestätigt werden. Nur dadurch wird wirklich sichergestellt, dass die Behörden die Vorgänge in ihren Akten registrieren.
Die Polizei selbst bittet darum, nicht genehmigte Veranstaltungen möglichst früh zu melden, weil ein polizeiliches Einschreiten schwieriger wird, wenn erst einmal eine größere Personenzahl zusammengekommen ist.
Genehmigte Veranstaltungen
Es gibt von Genehmigungen von Einzelveranstaltungen bis zu Baugenehmigungen oder Gaststätten-Genehmigungen mit oder ohne diverse Auflagen eine Vielzahl von unterschiedlichen Konstellationen.
Grundsätzlich haben Sie als Betroffener das Recht, vor der Erteilung der Genehmigung angehört zu werden. Dafür muss Ihnen der Antrag jedoch erst einmal bekannt gemacht werden. Sie müssen dazu die Behörde überzeugen, dass Sie Betroffener sind (bei Schriftverkehr Einschreiben/Rückschein oder Empfangsbekenntnis, siehe oben). Wenn Sie Betroffener sind und gegen eine vorgesehene Genehmigung Einwände vorgebracht haben, muss Ihnen der entsprechende Bescheid auch zugestellt werden. Sie können dann innerhalb der dort genannten Frist – schriftlich – Widerspruch gegen den Bescheid erheben. Falls Sie Betroffener sind und Ihnen ein Bescheid nicht zugestellt worden ist, verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr nach Erlass des Bescheides. Das kann bei Baugenehmigungen oder Gaststätten-Genehmigungen wichtig sein. In diesem Fall zählt nur, ob Sie tatsächlich betroffen sind, unabhängig davon, ob das die Behörde so sieht.
Erfahrungsgemäß ist ein direktes Gespräch mit den Veranstaltern sinnlos. Diese haben ihre eigenen Interessen, die in Bezug auf Lärm den Interessen der Betroffenen direkt entgegenstehen. Ein Ausgleich lässt sich in der Regel nicht finden oder hält nicht. Eine rechtliche Sicherheit ist so ebenfalls nicht zu erreichen. Oft dienen solche Gespräche nur dazu, die Anwohner zunächst einmal ruhig zu stellen, die dadurch Fristen versäumen und wirkungsvollere Vorgehensweisen zurückstellen.
Ebenso ist abzuraten von gemeinsamen Gesprächen mit den Veranstaltern und den Behörden. Dies gibt der Behörde die Möglichkeit, quasi als „Schiedsrichter“ zwischen den Störern und den Betroffenen aufzutreten, während die Behörde aber aus der (richtigen) Sicht der Betroffenen Teil des Problems ist, wenn sie bei den Genehmigungen die Interessen der Betroffenen nicht richtig abwägt. „Runde Tische“ lösen in diesen Fragen in der Regel keine Probleme, sondern sorgen dafür, dass Problemlösungen aufgeschoben werden.
Nicht-Einhaltung von Auflagen
Hier gibt es eine Genehmigung irgendeiner Art, die Auflagen wie Lautstärke oder Zeiten werden aber nicht eingehalten.
Es ist wieder der Weg zu der Polizei und zu den Ordnungsämtern richtig. Ein Problem liegt darin, dass die Polizei dort, wo eine Genehmigung vorliegt, oft schwer zu überzeugen ist, dass die Art und Weise der Durchführung der Veranstaltung tatsächlich rechtswidrig ist. Hier hilft nur, gegebenenfalls durch mehrere Betroffene, Beweise zu sammeln und den Ordnungsämtern zu übermitteln. Das ist erfahrungsgemäß ein mühsamer Weg.
Dienstaufsichtsbeschwerde
Sollte sich ein/e Beamter/in in schwerwiegender Weise pflichtwidrig verhalten, können Sie sich auch (schriftlich, Einschreiben/Rückschein oder Empfangsbekenntnis) bei dessen Dienstvorgesetztem/r über ihn/sie beschweren. Die Gründe dafür sollten aber gewichtig sein. Wir raten, solch eine Beschwerde nicht aus einem aktuellen Ärger zu schreiben, sondern erst zu überschlafen. Wenn man nach ruhigem Abwägen zu dem Ergebnis kommt, dass eine Dienstaufsichtsbeschwerde angebracht ist, wird sich diese auch überzeugender anhören.
Weglaufen?
Die Störungen können die eigene Lebensqualität nicht unwesentlich beeinträchtigen.
Der Kampf gegen belästigenden Club- oder Veranstaltungslärm in Berlin ist mühsam, langwierig und manchmal von Rückschlägen begleitet. Clubs und Veranstalter haben sehr aktive Lobbyisten bis in hohe politische Ränge Berlins. Auch das Verwaltungsgericht fällt manchmal schwer verständliche Entscheidungen zu Lasten der Anwohner. Man kann mit einer kurzfristigen Herstellung eines störungsfreien Zustandes in der Regel nicht rechnen.
Sind Sie leicht zu entmutigen? Dann kann auch ein Wegzug in Erwägung gezogen werden. In dem Fall sollte der neue Wohnort aber sorgfältig ausgesucht werden. Es ist nicht einfach, „sichere“ Gebiete zu finden.
Lärmprotokoll
Um klare Aussagen über die Belastung z. B. gegenüber Behörden machen zu können, empfehlen wir betroffenen Anwohnern, ein Lärmprotokoll zu führen. Einen Vordruck als PDF gibt es hier.